Sylvia Kuba

Wie profitieren Frauen vom Digitalen Wandel

Sind Frauen anders vom Digitalen Wandel betroffen als Männer?

Bisher fokussiert die öffentlichen Debatte zu Fragen des „Digitalen Wandel““ auf den von der deutschen Industrie geprägte Begriff „Industrie 4.0“ und die prognostizierten (und angestrebten) Veränderungen der industriellen Produktion. Übersehen wird dabei, dass die mindestens gleich großen – wenn nicht sogar größeren –  Umwälzungen, die für Beschäftigten spürbaren sind, gerade im viel stärker weiblich geprägten Dienstleistungsbereich vor sich gehen. Jörg Flecker etwa spricht in diesem Zusammenhang von einer Industrialisierung der Dienstleistungen.

Ähnlich beschreibt eine neue Studie der deutschen Hans Böckler Stiftung die „Industrialisierung der Kopfarbeit“ wie folgt: „So wie im 19. Jahrhundert die Handarbeit in einzelne Arbeitsschritte unterteilt worden sei, gehe es nun darum, Arbeitsprozesse im Büro zu strukturieren und unabhängig vom individuellen Geschick des Einzelnen zu organisieren. Ermöglicht werde so ein durch und durch synchronisierter Arbeitsprozess“. Diese umfassenden Entwicklungen in den Büros von Privatwirtschaft und Verwaltungen betreffen – mit allen Chancen und Risiken – Frauen in Summe stärker als jene in der Industrie.

Betriebsrätinnen berichten von steigender Kontrolle und wachsendem Rechtfertigungsdruck.

Viele Branchen, in denen der Frauenanteil besonders hoch ist, sind besonders von neuen Entwicklungen betroffen. Exemplarisch seinen nur die Veränderungen rund um den Onlinehandel oder im Bankensektor genannt. Oder auch der Bereich der Pflege, für den Gerlinde Hauer eindringlich die Erfahrungen von Betriebsrätinnen schildert. Diese berichten von steigender Kontrolle und wachsendem Rechtfertigungsdruck, weil das Smartphone nicht nur zur Arbeitsorganisation, sondern auch zur verstärkten Kontrolle eingesetzt wird.

Was bedeutet Digitalisierung für die Arbeitsplätze von Frauen?

Die OECD benennt die zunehmende Polarisierung der Arbeitsmärkte als Gefahr der Digitalisierung. Gerade Menschen mit niedriger Qualifikation hätten demnach ein weitaus höheres Automatisierungsrisiko, was ihre Tätigkeiten belangt. Während Digitalisierung die Nachfrage nach Routinetätigkeiten reduziert, erhöht sich der Bedarf an hochqualifizierten Fähigkeiten. „Digitalisation will provide new opportunities to many but will raise challanges for others, with the risk of growing inequalities in access to jobs and their quality and career potential”.

Ein Schlüssel, um der Polarisierung gegenzusteuern und die neuen Chancen zu ergreifen liegt in der lebensbegleitenden Weiterbildung, die noch an Bedeutung gewinnen wird. Nicht nur, um aufzusteigen, oder im etablierten Beruf bleiben zu können, sondern auch um mit strukturellen Veränderungen besser mitzukommen und notfalls in neu entstehende Berufsfelder umsatteln zu können.

Was ist nun die frauenpolitische Perspektive zu diesem Befund?

Zahlen der Statistik Austria zeigen, dass Frauen in Österreich (mit 29%) weniger an beruflicher Weiterbildung teilnehmen als Männer (mit 34%). Männer haben zudem mehr Möglichkeit sich in der Arbeitszeit beruflich weiterzubilden als Frauen. Ein Unterschied, der in anderen Ländern wesentlich geringer bis gar nicht vorhanden ist. Und dazu kommt noch: International vergleichende Auswertungen (siehe ebenda) zeigen, dass niedrig qualifizierte Frauen besonders stark benachteiligt sind, wenn es um berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten geht. Sie sind also doppelt benachteiligt: Als Frauen, und als niedrig Qualifizierte.

In Zusammenhang mit der oben beschrieben prognostizierten weiteren Polarisierung und dem höheren Risiko von Arbeitsplatzverlust für niedrig Qualifizierte lässt sich ein dringender Handlungsbedarf bei den Weiterbildungschancen für niedrig qualifizierte Frauen ableiten.

Wie sieht der Digitale Wandel aus der Verteilungsperspektive aus?

Prognosen darüber, wie sich die Digitalisierung auf die Einkommens- und Vermögensverteilung zwischen den Geschlechtern auswirken, sind logischerweise schwer zu treffen. Relativ leicht kann man dagegen mit Blick auf die bestehende Einkommens- und Vermögensverteilung feststellen, unter welchen Bedingungen der Verteilung der neuen Profite Frauen eher profitieren würden.

Unter den Spitzenverdienern tummeln sich vorwiegend Männer

Denn was die Statistik uns recht eindeutig zeigt: Frauen treffen wir vor allem in den unteren Einkommensgruppen an. So zeigen Berechnungen der Frauenabteilung der AK auf Basis der Lohnsteuerstatistik 2010, dass rund 45 % der Frauen weniger als 1.500 Euro verdienen, im Vergleich zu 16% der Männer. Umgekehrt tummeln sich unter den Spitzenverdienern vorwiegend Männer (26% verdienen über 3.500 Euro, bei den Frauen sind es dagegen nur 10%). Auch bei den Vermögensverteilung haben Frauen empirisch betrachtet das Nachsehen, wie Katarina Hollan ua. ausführen.

Das bedeutet aus der Verteilungsperspektive betrachtet kurz gesagt: Frauen profitieren dann stärker von den Profiten des Digitalen Wandel, wenn die Einkommen – und zwar vor allem die unteren – an den Gewinnen beteiligt werden. Und dabei kommt es letztlich einerseits auf die progressive Gestaltung des Steuersystems an, andererseits auf Einkommenssteigerungen gerade im unteren Bereich.

Werden Buben und Mädchen gleich gut auf die künftigen Anforderungen vorbereitet?

Eine neue Studie der AK zu digitalen Kompetenzen von Jugendlichen zeigt, dass Jungen und Mädchen IKT-Geräte im Alltag und der Schule in ziemlich gleichem Ausmaß nutzen. Es gibt auch kaum geschlechtsspezifische Nutzungsunterschiede bei Social Media, Twitter, dem Erstellten und Bearbeiten von Videos oder beim Bloggen. Interessanterweise schätzen Mädchen ihre eigenen Kompetenzen in diesem Bereich in Summe sogar höher ein als Jungen.

Unterschiede sind dort auszumachen, wo es um die „produzierende“ Anwendung der neuen Technologien geht.

So antworten auf die Frage, ob sie schon einmal oder mehrmals ein Computerprogramm geschrieben hätten, 19% der Wiener Jungen zwischen 15 und 19 Jahren, aber nur 5% der Mädchen mit „ja“. Ähnliches gilt bei der Frage, ob sie schon einmal einen Computer aufgesetzt hätten (56% der Jungen,33% der Mädchen), oder einen Computer selbst zusammengebaut hätten (29% der Jungen, 9% der Mädchen.

Prinzipiell ist die Nutzung der neuen IKT Technologien für Jungen und Mädchen zur großen Selbstverständlichkeit geworden. Wenn es aber darum geht, sich mit dem Aufbau der Technologien zu beschäftigen, scheinen Mädchen noch mehr Ermutigung zu brauchen. Hier muss man ansetzen.

Bringt die Digitalisierung Vorteile für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Erstaunlich ist, dass im Zusammenhang mit frauenpolitischen Perspektiven auf Digitalisierung immer wieder der Vorteil beschrieben wird, Frauen könnten etwa durch vermehrte Arbeitszeitflexibilität und vermehrten Einsatz von Homeoffice Anwendungen profitieren, da selbige die Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungsarbeit erleichtern würden. Sachlich ist dieses Argument nur schwer nachvollziehbar.

Sowohl aus Sicht der Frauen, als auch der Kinder, ist es kein Fortschritt wenn ihre Frauen ihre Kinder „nebenbei“ beaufsichtigen.

Die Zeiten, in denen Frauen ihre Kinder am Rücken mit zur Arbeit nehmen mussten sind durch zivilisatorische Errungenschaften wie Kinderbetreuungsgeld und gute Betreuungsplätze hoffentlich vorbei. Die Digitalisierung wird das Rad an dieser Stelle hoffentlich nicht zurück drehen. Denkbar wäre, dass Homeofficezeiten bei der Vereinbarkeit unterstützen, da sie Arbeitswege verkürzen und damit mehr Zeit für die Familie bleibt. Hier handelt es sich allerdings weniger um eine geschlechtsspezifische Auswirkung.

Der Trend zu flexibleren Arbeitszeiten erschwert die „Planung des außerbetrieblichen Lebens.

Ein zweiter oft ins Spiel gebrachter Aspekt, der aus einer Vereinbarkeitssicht relevant scheint, ist die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, bzw. die Entgrenzung. Eine Studie der Böckler Stiftung zu „Entgrenzung von Arbeit und Familie“ kommt aufgrund von Interviews mit 76 Müttern und Vätern zu dem Schluss, dass der Trend zu flexibleren Arbeitszeiten, vor allem verbunden mit kurzfristiger Arbeitszeitplanung, wie sie derzeit als für die On-Demand Economy als typisch beschrieben werden, die „Planung des außerbetrieblichen Lebens“ erschweren Gerade auch in Zusammenhang mit „Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit“. Schwierig wird es vor allem dann, so die Studie, „wenn Eltern während jener Zeiten nicht zu Hause sind, in denen familiäre Aufgaben anfallen: in den Abendstunden sowie an Wochenenden“. Oft würden Frauen dann die knappe Familienzeit des Mannes ausgleichen, oder bei weniger traditionellen Arbeitsaufteilung, der Planungsaufwand insgesamt steigen und gemeinsame Familenzeiten verkürzt. Problematisch sei dies vor allem, wenn die Entscheidungsbefugnisse einseitig beim Arbeitsgeber liegen. So ist klar, dass die Digitalisierung nur dann positive Folgen für die Vereinbarkeit haben kann, wenn sie tatsächlich arbeitnehmerInnenfreundliche Arbeitszeitmodelle, die eigenständige Flexibilisierung und große Planbarkeit ermöglichen, unterstützen.

Frauenpolitische Ableitungen

Damit Frauen, ebenso wie Männer, vom Digitalen Wandel profitieren, sind also spezifische frauenpolitische Maßnahmen nötig. Eine oberflächliche Willensbekundung wird nicht ausreichen. Aus den beschriebenen Entwicklungen lassen sich folgende Maßnahmen ableiten:

  • Den Fokus der öffentlichen und politischen Debatte erweitern und die Änderungen in quantitativ von Frauen dominierten Branchen in das Blickfeld der Analyse rücken;
  • Vor allem Frauen mit niedrigem Qualifikationsniveau müssen verstärkt von betrieblicher und beruflicher Weiterbildung profitieren können;
  • Steuerliche Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Gewinne der Digitalisierung gerecht verteilt werden;
  • Neue Profiten müssen  zur Erhöhung der Arbeitseinkommen (va im unteren Bereich) führen;
  • Gezielte Förderung von Mädchen bei der Auseinandersetzung mit IKT;
  • Die vermehrte Einführung von arbeitnehmerInnenfreundlichen Arbeitszeitmodellen, die eigenständige Flexibilisierung und große Planbarkeit ermöglichen

 

 

aus: A&W blog
www.awblog.at

 

 

 

 

 

 

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